06.07.2000
Lebenspartnerschaftsgesetz - ohne Chance?
Zu dem gestern von den Bundestagsfraktionen der SPD und Bündnis 90/Die Grünen veröffentlichen Entwurf für ein "Lebenspartnerschaftsgesetz" nimmt heute in Hannover der ehemalige Landesvorsitzende der Schwusos Niedersachsen, Achim Schipporeit, wie folgt Stellung:
Das Ziel das der rot-grüne Gesetzentwurf verfolgt, der Abbau der Diskriminierung von Lesben und Schwulen, ist ein richtiges, weil notwendiges Anliegen. Allerdings macht auch der vorliegende Entwurf zweierlei deutlich:
Erstens gibt es in unserer Gesellschaft nach wir vor unterschiedliche Auffassung darüber, wie bestehende Diskriminierung beseitigt werden kann. Die Grünen und einige Schwulen- und Lesbenverbände hätten im Sinne einer völligen Gleichstellung am liebsten die Ehe für gleichgeschlechtliche Paare geöffnet. Die SPD ist nur zu einem neuen Rechtsinstitut bereit, dass sich von der Ehe unterscheidet, also nicht gleich ist. Und die Union, noch immer nicht "mitten im Leben" angekommen, spricht zwar von großzügiger Toleranz, verneint aber rechtsinstitutliche Regelungen kategorisch. Abgesehen von noch bestehenden Vorurteilen gegenüber einer anderen, gelebten Sexualität, haben diese unterschiedlichen Haltungen zum Thema Diskriminierungsabbau vor allem eine Ursache - unterschiedliche Antworten auf die Kernfrage, ob homo- und heterosexuelle Partnerschaften überhaupt mit einander vergleichbar sind. Sind sie es?
Wenn man das einzelne Individuum in der Partnerschaft betrachtet, sicherlich. Dehnt man aber die Betrachtung auf das Paar vor dem Hintergrund des in unserer Gesellschaft verwurzelten Fortpflanzungsgedankens aus, können verneinende Stimmen in Beantwortung dieser Frage nicht unisono vom Tisch gewischt werden. Erst, wenn der einzelne Mensch, auch in seiner Beziehung zu anderen, in gesellschaftlichem Konsens als Individuum betrachtet wird, losgelöst von Sexualität und Fortpflanzung, wird die Frage mit "Ja, sie sind gleich" beantwortet werden können. So lange vor allem konservative Kräfte dazu nicht in der Lage sind, ist eine Gleichstellung von Schwulen und Lesben nicht zu erreichen. Der vorliegende Gesetzentwurf ist nach seiner Begründung auch nur auf einen Abbau von Diskrimierung und nicht auf Gleichstellung ausgerichtet, auch wenn sein Titel - irreführenderweise - von "Beendigung der Diskriminierung" spricht. Bis zu deren tatsächlichem Ende wird es noch ein langer, steiniger Weg sein.
Zweitens stellt sich angesichts des Koalitionsentwurfs die Frage, ob das so ausformulierte Rechtsinstitut der Lebenspartnerschaft der richtige Weg ist.Eines führt uns der Gesetzentwurf - wieder einmal - deutlich vor Augen: Die unbändige Regelungswut der Deutschen. In über 110 (!) Paragrafen muss das Zusammenleben von zwei Menschen in unserem Staat geregelt werden. Von derAbgabenordnung über das Schornsteinfegergesetz bis hin zum Milch- und Margarinegesetz regeln Gesetze und Verordnungen das Zusammenleben. Muss das sein?
Sicherlich nicht. Dringend erforderlich wäre es, den Regelungsdschungel zu lichten - auch das bestehende Eherecht. Erforderlich wäre es, dem Einzelnen mehr Eigenverantwortung für sich und seine Beziehungen abzuverlangen. Das hätte aber bereits vor Jahren eine offensive politische Diskussion über Lebensformen und -weisen, über Ehe und Familie und ihre verfassungsrechtliche Definition vorausgesetzt. Doch diese Diskussion wurde nicht geführt - auch nicht von der großen Volkspartei SPD. Das dieses Versäumnis Probleme macht, wird uns in den kommenden Wochen und Monaten die Auseinandersetzung über den vorliegenden Gesetzentwurf vor Augen führen.
Mein Fazit: Der vorliegende Gesetzentwurf wird seinen Weg so sicher nicht in das Bundesgesetzblatt finden. Schon heute wird auf den Bundestagsfluren erneut über den "Zwei-Stufen-Plan" von Herta Däubler-Gmelin debattiert. Und die FDP preist heute ihren Gesetzentwurf für die notariell beglaubigte Partnerschaft vom Juni letzten Jahres als "verfassungsfest" an, was den Bedenken der Union entgegenkäme.
Und das könne schlußendlich politisch die Lösung werden: Der konservative Widerstand, auch in den eigenen Reihen, wird Kanzler Schröder überzeugen, noch vor der dritten Lesung im Bundestag den heutigen Gesetzentwurf zurückzuziehen und auf den, nach Beratungen mit Union, etwas abgespeckten FDP-Entwurf einzuschwenken. So schlägt man mehrere Fliegen mit einer Klappe: Zustimmung der Union, Vermeidung von Klagen in Karlsruhe, und - vor allem - das Thema vom Tisch vor den Landtagswahlen im kommenden Jahr. Friede, Freude, Eierkuchen. Das Nachsehen hätten nur die Grünen