Samstag, 05. Oktober 2024
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Ein Jahr Ehe für alle Tausende homosexuelle Paare haben geheiratet

Die Zahl der Übergriffe steigt. Marco Burmester-Krüger geht jeder Straftat nach – und hat für Betroffene ein offenes Ohr.

Sein tägliches Geschäft ist der Hass. Die Menschen, die im Fokus von Oberkommissar Marco Burmester-Krüger stehen, werden angefeindet, beleidigt und misshandelt. Sie sind schwul und lesbisch, sie sind transsexuell und non-binar, intersexuell oder queer.

Marco Burmester-Krüger ist LSBTI*-Ansprechpartner bei der Hamburger Polizei. Er ist zwar nicht der erste Beamte, der sich um die Belange der „queeren“ Mitbürger, um ihre Sorgen und Nöte kümmert, aber der erste hauptamtliche. Der 40-Jährige hat die Funktion im Oktober vergangenen Jahres übernommen, von September an unterstützt ihn eine Kollegin, ebenfalls hauptamtlich.

Die Abkürzung LSBTI* steht für Lesben, Schwule, Bisexuelle, Transsexuelle und Intersexuelle, das Sternchen als Platzhalter für die unzähligen sexuellen Varianten, die es noch so gibt. Wer sich zu diesen Gruppen zählt und mit anderen Menschen ein Problem, womöglich ein strafbares, wegen seiner sexuellen Orientierung hat, kann sich an den Schutzpolizisten wenden. Denn gerade im Bereich sexuelle Orientierung oder geschlechtliche Identität fehlt es mitunter an Vertrauen.

Schon in der Davidwache im Einsatz

Burmester-Krüger steht seit 23 Jahren im Dienst der Hamburger Polizei. Er arbeitete unter anderem bei der Bereitschaftspolizei und in der weltberühmten Davidwache auf dem Kiez. Fiel seine frühere Tätigkeit in die Kategorie klassische Polizeiarbeit, verantwortet er seit einem Jahr ein ungleich größeres Aufgabengebiet. 

Als LSBTI-Ansprechpartner arbeitet er eng mit (Opferschutz-)Verbänden wie dem Weissen Ring und Vereinen wie Hein & Fiete oder der Aids-Hilfe zusammen, er baut persönliche Kontakte zu queeren Organisationen auf, berät sie und netzwerkt, wo es geht – um eventuelle Hemmungen gegenüber der Polizei abzubauen und sich selbst als Vertrauensperson in der „Community“ bekannt zu machen. „Mein Aufgabenspektrum ist breitgefächert, es reicht von der Lebensberatung bis hin zur Anzeige massiver Straftaten“, so der Beamte.

Besondere Sensibilität notwendig

Zusätzlich schult er seine Kollegen im angemessenen Umgang mit queeren Menschen, da sei besondere Sensibilität gefragt, sagt er. Erhält er Kenntnis von einem verbalen oder körperlichen Übergriff, schreitet er ein. Und sofern diese Übergriffe in den Deliktbereich (politisch motivierte) Hasskriminalität fallen, was sie meist tun, landet die Akte bei den Kollegen in der Staatsschutzabteilung des Landeskriminalamtes. 

Zurzeit regis­triert Burmester-Krüger vor allem eine wachsende Aggression gegen Transsexuelle. Menschen also, die sich nicht mit ihrem angeborenen Geschlecht identifizieren. „Sie werden in einem zunehmenden Maße zum Ziel von Beleidigungen. Da fallen üble Schimpfwörter“, sagt er.

Aggression gegen Transsexuelle

Solche Totalausfälle erfasse die Polizei auch in vermeintlich „gut situierten Wohngegenden“, keineswegs nur auf dem Kiez, wo besonders viele transsexuelle Menschen leben. Er kenne auch Fälle, in denen homosexuelle Pärchen von Fremden geschlagen oder übel beleidigt worden sind, nur weil sie in der Öffentlichkeit Händchen hielten. Schon die verbale Aggression reiche mitunter aus, die Betroffenen aus der Bahn zu werfen. „Psychische Belastungen und posttraumatische Belastungsstörungen können die Folgen sein“, sagt Burmester-Krüger.

Die Hasskriminalität, zu der auch rassistische und antisemitische Straftaten zählen, wird seit Mitte 2018 von der Hamburger Staatsanwaltschaft gesondert erfasst. Während im zweiten Halbjahr des vergangenen Jahres drei Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts von Straftaten gegen die sexuelle Orientierung eingeleitet wurden, waren es im ersten Halbjahr dieses Jahrs bereits 13. Ein deutlicher Anstieg, aber für eine Metropole wie Hamburg auch kein allzu hoher Wert – auf den ersten Blick. „Wir haben es bei Angriffen auf queere Menschen mit einem enormen Dunkelfeld zu tun“, sagt Burmester-Krüger aber. 

Weg zur Polizei fällt vielen schwer

Manche Opfer scheuten den Gang zur Polizei. „Die Ursachen sind vielfältig. Scham ist ein wichtiger Faktor, einige glauben auch, dass die Polizei ihnen ohnehin nicht helfen kann; wieder andere befürchten, dass man sich über sie bei der Anzeigenerstattung lustig machen könnte“, so der Beamte. Und wer sich bislang noch nicht geoutet hat, der verspüre auch nicht unbedingt große Lust, seine sexuelle Orientierung ausgerechnet einem Polizeibeamten zu offenbaren, nur weil er gerade Opfer einer Hass-Straftat geworden ist.

Dabei kann die Polizei dabei helfen, Konflikte aus der Welt zu schaffen. Da war das ältere homosexuelle Pärchen, das ständig von seinem Nachbarn angefeindet wurde. Bei jeder zufälligen Begegnung im Hausflur hagelte es böse Worte – nur, weil die beiden Herren ihre Liebe offen lebten. Nachdem sie nach einigem Zögern Anzeige erstattet hatten, brachten Polizeibeamte den Aggressor durch eine Gefährderansprache zur Räson. Seitdem herrscht Ruhe im Haus. 

Beleidigungen und Körperverletzungen

Queere Menschen werden vor allem Opfer von Straftaten wie Beleidigung und Körperverletzung, sagt Burmester-Krüger. Zu einem kleineren Teil beträfen sie auch Raubtaten. Er wisse von Fällen, in denen sich Räuber gezielt vor Schwulen-Clubs auf die Lauer gelegt hätten – offenbar weil die Täter glaubten, Homosexuelle seien leichte Beute. In einem anderen Fall hatte nach einer gescheiterten Liaison ein Täter die Adresse seines ehemaligen Lovers auf einem Internet-Dating-Portal öffentlich gemacht. Danach schlichen fremde Männer tagein, tagaus vor dessen Haus herum – das Opfer fühlte sich gedemütigt und massiv belästigt. Der Polizist zeigte dem Betroffenen Auswege aus der Situation.

Burmeister-Krüger ist selbst schwul. Der 40-Jährige lebt im Hamburger Umland mit seinem Ehemann. Vor fast 20 Jahren outete er sich. Sein privates Umfeld, seine Kollegen – alle hätten damals durchweg positiv darauf reagiert, sagt er. Insofern ist Burmester-Krüger eben nicht nur mit dem Kopf, sondern auch mit dem Herzen bei der Sache. Auch für seine Kollegen steht er als Ansprechpartner in LSBTI-Sachen zur Verfügung. Der LSBTI-Anteil in der Bevölkerung liegt nach unterschiedlichen Schätzungen zwischen fünf und zehn Prozent. Die Polizei als Querschnitt der Gesellschaft dürfte da keine Ausnahme bilden. Bisher, so Burmester-Krüger, habe sich noch kein Beamter bei ihm über Diskriminierung im Dienstalltag beschwert. Es gebe Kollegen, die sich zu ihrer sexuellen Orientierung bekennen. Und es gebe gewiss solche, die dies nicht tun. Beides halte er für völlig legitim, sagt er. „Niemand wird dazu gezwungen. Heterosexuell orientierte Menschen laufen doch auch nicht herum und sagen: Ich bin heterosexuell. Warum auch?“

Uniform kommt in der Szene gut an

Dem Polizei-Nachwuchs nötige das LSBTI-Thema ohnehin kaum mehr ab als ein Schulterzucken. „Für die Jüngeren ist LSBTI und queer absolut selbstverständlich“, sagt Burmester-Krüger. Als er neulich bei der Polizei-Akademie um Unterstützung bat für seinen Infostand beim CSD, hatte er binnen kürzester Zeit mehr helfende Hände, als er gebrauchen konnte. Zu dem bunten Spektakel erschien der LSBTI-Beamte in seiner ganz normalen Polizeiuniform. Dazu muss man wissen, dass Uniformen in der homosexuellen Community grundsätzlich gern gesehen sind. Ironischerweise, so der Beamte, hielten nicht wenige seine Dienstkleidung für eine ziemlich gelungene Verkleidung.

Erreichbar ist Burmester-Krüger in der Zeit von 8 bis 15 Uhr unter den Telefonnummern: 040/428 67 03 24 und 0176/42852848