Dienstag, 19. März 2024
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Finanzielle Unterstützung für schwul-lesbische Projekte

Freitag, 17. Dezember 1999:

Die Bürgerschaft hat am 15.12. den Haushalt für das Jahr 2000 verabschiedet. Nach einer Mitteilung der Grünen werden lesbische und schwule Projekte im kommenden Jahr wie folgt gefördert:

ProjektHaushalt 1999Haushalt 2000
Hein&FieteDM 318.000DM 333.000
Magnus-Hirschfeld-CentrumDM 204.000DM 250.000
   davon das LesbentelefonDM 4.000DM 43.000
Intervention e.V.DM 144.000DM 147.000
Lesbisch-schwule FilmtageDM 30.000DM 30.000

Außerdem sollen Mittel für die regelmäße Fortbildungen der Hamburger Polizei zum Thema "antischwule und antilesbische Gewalt" bereitgestellt werden.

Weitere Unterstützung gibt es aus dem Topf der sogenannten Tronc-Abgabe (Steuer auf Spielbank-Trinkgelder). Mit einer einmaligen Finanzierungshilfe von je 25.000 DM werden u.a. folgende Projekte unterstützt:

  • LSVD Hamburg: Anti-Gewalt-Kampagne
  • Hein&Fiete: Präventionskampagne
  • Hamburger Hospiz: Finanzierung einer Teeküche

Farid Müller, schwulenpolitischer Sprecher der GAL-Fraktion, zeigte sich über den Beschluss der Koaltion zufrieden: "Ich freue mich, dass trotz aller Sparzwänge die Mittel im Hamburger Haushalt für das lesbisch-schwule Beratungs- und Kulturangebot nicht nur gekürzt wurden, sondern sogar verstärkt wurden!" 

Frank Münzinger, Projektleiter von Hein&Fiete, kann diese Begeisterung nicht teilen: "Es klingt gut [...], dass Hein & Fiete 1999 mit 318.000,- DM gefördert wird und 2000 mit 333.000,- DM [...]. Tatsache aber ist, dass wir 1999 bereits 326.900,- DM erhalten haben, [...] dass die Sachkosten bereits seit Jahren eingefroren sind und die BAGS nur die tariflich bedingten Personalkostenerhöhungen finanziert."

Weiterhin, so Münziger, seien die Gelder aus der Tronc-Abgabe festgelegt für die Produktion von Aufklärungsmaterial für ausländische Expo-Gäste. Wenn man bedenkt, dass die Gelder für die Öffentlichkeitsarbeit auf 5.000,- DM (1999: 12.500,- DM) gekürzt worden sind, könne man nur noch "auf die Fremdsprachenkenntnisse der Hamburger bauen, dann können wir sie mit Expo-Materialien erreichen", so Münzinger sarkastisch. Ein weiterer wichtiger Teil der HIV-Prävention, die Beschäftigung von weiteren Streetworkern, wären von der Bürgerschaft nicht subventioniert worden, so Münzinger enttäuscht.

Auch Verena Lappe, Mitarbeiterin des Lesbentelefons im MHC, zeigte sich eher skeptisch. Denn obwohl die Mitarbeiterinnen des Lesbentelefons "grundsätzlich eine Förderung durch die Stadt begrüßen", ist noch völlig unklar, wie der Wunsch nach einer festen Mitarbeiterin im Beratungsteam umgesetzt werden soll. Näheres, so Frau Lappe, würden die Gespräche mit den zuständigen Behörden im nächsten Jahr zeigen. 

Alles andere als erfreut zeigte sich der Vorstand von Intervention e.V. Dieser wies in einem Schreiben an die Pressestelle der Grünen darauf hin, dass die Behauptung, die Haushaltsmittel für das Junglesbenzentrum (JLZ) würden aufgestockt werden, nicht der Wahrheit entspräche. Das "Amt für Jugend hat die Anweisung, dass das JLZ die gleichen Mittel wie 1999 erhalten wird [...]. Die üblichen Personalkostenerhöhung wird zu Lasten der Sachkosten verrechnet werden.". Dies bedeute, ganz im Gegenteil zur Verlautbarung der GAL-Fraktion, "eine Kürzung der Sachmittel um ca. 20%", so die Frauen von Intervention e.V. 

4. Candle Light Walk in Hamburg

Mittwoch, 01. Dezember 1999:

Dem Aufruf von Hein&Fiete waren trotz heftigen Regens ca. 250 - 300 Teilnehmer und Teilnehmerinnen gefolgt, um bei dem nun schon traditionellen Candle Light Walkmitzulaufen.

Der Candle Light Walk war und ist weder Parade noch Protestzug. Hier wollen wir die Trauer über den Verlust von Freunden, Geschwistern und Kindern zum Ausdruck bringen, die durch das HI-Virus und die dadurch ausgellöste Imunschwäche AIDS viel zu früh aus dem Leben gerissen wurden.

Das Sterben hat sich verlangsamt, aber es ist noch immer gegenwärtig.

Wir wollen zusammenleben

15. Oktober 1999:

Informationen zur "Hamburger Ehe"

Seit Mai diesen Jahres ist es amtlich: In Hamburg darf man(n)/frau gleichgeschlechtlich heiraten. Einige Paare haben das Angebot bereits genutzt.

Das Senatsamt für Gleichstellung hat nun Informationen zur eingetragenen Partnerschaft und Musterverträge für lesbische und schwule Paare herausgegeben.

Die Infos sind übrigens genauso für andere Formen von Lebens- und Wohngemeinschaften und für Hetero-Pärchen geeignet.

Der Ratgeber ist kostenlos erhältlich beim Senatsamt für Gleichstellung, bei den Standesämtern und der Öffentlichen Rechtsauskunft (ÖRA).

Oliver Hoogvliet

Mehr Akzeptanz für Heteros

12. Oktober 1999:

Das Senatsamt für Gleichstellung wirbt mit einer ungewöhnlichen Kampagne für mehr Toleranz Schwulen und Lesben gegenüber

Mancher oder Manchem mag es schon aufgefallen sein. An vielen Orten in Hamburg plakatiert der Senat zur Zeit Werbung für "Toleranz für Heterosexuelle".

Nico Tillmann

Schwule raus aus St. Georg?

1. Oktober 1999:

Wirtschaftsbehörde: "Schwule gefährden gesunde Gewerbestruktur"

St. Georg ist bekannt für seinen Schmuddelcharakter und sein unvorteilhaftes Stadtbild. Um dem entgegenzuwirken, werden staatliche Mittel zur Förderung der dort ansässigen Betriebe bewilligt, um die Attraktivität vorhandener Angebote zu stärken.

"Genau das richtige für den Königshof!", dachte sich wohl der Inhaber Erik Springer und beantragte einen Zuschuss für die Sanierung und Erweiterung des schwulen Hotels am Pulverteich.

Doch die Wirtschaftsbehörde lehnte dies ab und verwies in ihrer Begründung auf ein Schreiben des Hotels Raphael, das sich in der unmittelbaren Nachbarschaft des Hotels Königshof befindet. Der Besitzer Hans Gerst äußert darin die Befürchtung, die "gesunde Mischung aus Gewerbe, Wohnungen und mittleren Handwerksbetrieben sei zu einer schwulen Szene in den letzten Jahren gekippt". Damit gibt er der schwulen Szene die Verantwortung für die Missstände in St. Georg.

Nun mag dies nur die Meinung einer einzelnen Person sein. Diese Vorurteile nimmt jedoch die Wirtschaftsbehörde zum Anlass, die Förderung von schwulen Betrieben abzulehnen: Die Wirtschaftsbehörde "hätte kein Interesse, die kaum mehr gegebene gesunde Gewerbestruktur des Stadtteils St. Georg noch weiter zu schwächen. Eine Stärkung der 'Schwulenszene' liege daher nicht in ihrem Interesse."

Diese Aussage ist politisch brisant, denn sie zeigt, dass das erklärte Ziel der Bürgerschaft - die Akzeptanz von Schwulen und Lesben auf behördlicher Ebene - noch lange nicht erreicht ist. Der Senat bzw. Herr Dr. Mirow (SPD), Präses der Wirtschaftsbehörde, hält sich zu diesen Aussagen bedeckt. In der Antwort auf eine kleine Anfrage des Abgeordneten Farid Müller (GAL) wird allenfalls von "verunglückten Formulierungen" gesprochen.

Das Hotel Königshof hat inzwischen Einspruch gegen den Bescheid eingelegt. Der Widerspruch wird zur Zeit vor dem Verwaltungsgericht Hamburg verhandelt. Vor einem endgültigen Urteil ist daher wohl keine Stellungnahme des Senats zu erwarten.

Oliver Hoogvlie